Reputationsrecht – Was darf die Presse eigentlich – Grundlagen des Rechtsschutzes
„Heute Du, morgen der; jeden Tag wird eine andere „Sau durch das Dorf gejagt“; heute ist es ähnlich in einer modernen Form. Die Zeitung von gestern ist morgen alt, das Internet und die Suchmaschinen vergessen nie. Außer es gibt einen Stromausfall.
Untersuchungen belegen, dass ca. 90Prozent aller Interessierten googlen und sich so ein „Bild“ von ihrem Gegenüber machen. Internetreputation ist daher extrem wichtig. Was darf die Presse überhaupt über Menschen behaupten?
Wie weit reicht die Pressefreiheit und wo sind ihre Grenzen?
Welche Ansprüche hat ein Betroffener, der durch Presseberichterstattung verletzt wird? Die Pressefreiheit ist verankert Artikel 5 des Grundgesetzes. Jeder darf also seine Meinung in Wort und Schrift – auch im Internet – frei äußern und verbreiten.
„Flunkerfürst-Fall“ – Ehrschutz gilt auch im Internet
Man darf niemanden einen „Flunkerfürsten“ nennen und glauben, dass diese Äußerung nicht verboten werden könne. Das hat zum Beispiel das Landgericht Hamburg ganz selbstverständlich getan und nicht unterschieden, ob diese Äußerungen jetzt mündlich, in Papierform oder im Internet gemacht werden (Landgericht Hamburg, 324 O 819/03). Selbstverständlich werden die Rechtsgrundsätze des offline-Rechts in das Internetrecht übertragen.
Eine Zensur findet nicht statt
Eine Zensur findet nicht statt. Diese Freiheit ist allerdings nicht grenzenlos. Es gibt Einschränkungen durch die allgemeinen Gesetze, des Jugendschutzes und des Schutzes der Ehre anderer. Presse ist ein sehr weiter Begriff, das betrifft nicht nur renommierte Presseerzeugnisse der „Qualitätspresse“, sondern auch digitale Veröffentlichungen. Auf die Qualität kommt es nicht an. Presse ist also ein weitgefaßter Begriff. Die Presse darf aber nicht in ihrer Berichterstattung andere beleidigen oder verleumden.
Pressefreiheit – Wort und Bildberichterstattung
Die Wort und Bildberichterstattung unterscheidet sich. Wann dürfen Fotos gemacht und veröffentlicht werden? Nach § 22 Kunsturheberrecht gibt der Grundsatz, das ein Bildnis von dem Abgebildeten erlaubt sein muss. Das heißt, der Betroffene muss einwilligen. Eine Ausnahme besteht bei einem Ereignis der Zeitgeschichte. Hier prüfen die Gerichte im Streitfall, ob eine Einwilligung notwendig ist. Ein Ereignis der Zeitgeschichte wird vom Interesse her definiert. Welche Geschehen sind objektiv für die Bevölkerung von besonderer Relevanz. Die Rechtsprechung hat eine Dreistufentheorie entwickelt. Also was öffentlich geschieht, insbesondere im beruflichen Bereich, darf berichtet werden. Bei sogenannten privaten Bildern muss abgewogen werden, ob hier ein Ereignis der Zeitgeschichte vorliegt. Absolut geschützt sind Bilder im Intimbereich, die gar nicht veröffentlicht werden dürfen. Es geht es immer wirklich um eine Betrachtung im Einzelfall. Im übrigen könnten Betroffene, die sozusagen nur Beiwerk bei einer Landschaftsaufnahme sind, sich nicht wehren.
„Caroline von Monaco Fall“ – Ehre ist mehrere 100.000 € wert
In den neunziger Jahren sorgte Caroline von Monaco für Aufsehen, weil sie gegen Bilder in Zeitschriften und bezeihungsweise gegen gefälschte Interviews klagte. Eine juristische Schlacht in Deutschland und Europa entbrannte. Eines der Ergebnisse war, dass der Schadenersatz höher wird, je mehr Personen die unzulässige Verletzung des Persönlichkeitsrechts zur Kenntnis nehmen könnten. Mit anderen Worten: Hätte der Marktleiter die Lockenwickler-Frau bei „Facebook“ als Ladendiebin bezeichnet, hätte diese mehr als 500 € Schadenersatz verlangen können.
Zur Wortberichterstattung?
Die Presse ist bekanntlich in ihren Meinungen frei nach Artikel 5 des Grundgesetzes. Meinungen sind frei; eine Grenze bildet Schmähkritik. Schmähkritik liegt vor, wenn sich die Presse überhaupt nicht mehr mit dem Sachverhalt auseinandersetzt, sondern es nur noch darum geht den Gegner in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen.
Beispiel: Entscheidung des Landgerichts Hamburg zum Böhmermann Gedicht über Erdogan
Tatsachenbehauptungen sind etwas anderes als Meinungen: Tatsachenbehauptungen müssen stimmen. Hier setzen die Gerichte bei der Sorgfaltspflicht an und prüfen, ob die Berichterstattung der Wahrheit entspricht und falls nicht, ob der Journalist seiner Sorgfaltspflicht entsprochen hat. Ein Großteil von Berichterstattung wäre vielleicht unzulässig, wenn verlangt werden würde, dass jede Tatsachendarstellung zu 100 Prozent inhaltlich richtig ist. Die Presseberichterstattung zu Tatsachen muss sorgfältig erstellt sein. Die journalistische Sorgfaltspflicht lässt sich an bestimmten Parametern festmachen. Gründliche Prüfung als Recherche ist angezeigt. Die Quellen müssen überprüft werden. Zitate müssen stimmen. Dem Betroffenen soll die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden. Diese Stellungnahme muss dann in die Berichterstattung einfließen. Heimliche Aufnahmen sind verboten.
Heute gilt noch immer: „Das Ansehen eines Menschen in der Öffentlichkeit ist ein sehr verletzliches Gut, das die Presse nicht leichtfertig aufs Spiel setzen darf“ (Zitat nach Prinz, Presserecht, Oberlandesgericht Hamburg, NJW RR 1993 S. 734).“
Unsere Rechtsordnung hat diese Grundsätze auch auf das Internet übertragen und schützt so Betroffene online und offline, deren guter Ruf durch fehlerhafte Darstellung betroffen ist. Da heute sozusagen jeder „Journalist“ sein kann, ist Sorgfalt und Abwägung angezeigt.
V.i.S.d.P.:
Valentin Markus Schulte
Volkswirt, Stud. Iur
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