Berlin ist das Zentrum der Armen
Es mag auf den ersten Blick unverständlich sein. Schon seit Jahren wächst die Berliner Wirtschaft; die Zahlen zeigen, dass die Wirtschaft sogar stärker als der deutsche Durchschnitt ist. Gute Nachrichten gib es auch immer wieder vom Arbeitsmarkt. Aber all jene Punkte, die eigentlich dafür sorgen sollten, dass die Armut bekämpft wird, helfen nicht weiter. Die soziale Not ist noch immer groß. Das Einkommensniveau ist noch immer weit unter den durchschnittlichen Verdiensten in anderen deutschen Städten. Die Stadt hat zwar Potential, scheint es aber nicht zu nutzen. Anders lässt sich der Umstand nicht erklären, warum Berlin zum Zentrum der Armen wurde.
Wann spricht man von Armut?
Doch ab wann ist man arm? Verdient die Person weniger als 60 Prozent des sogenannten mittleren Einkommens, wird sie in der Statistik als „arm“ geführt. So liegt die Grenze für eine alleinerziehende Mutter bei 1.225 Euro/Monat. In Berlin erfüllen 22,4 Prozent der Menschen die Armutskriterien. 2006 waren es „nur“ 17 Prozent – ein Anstieg von 5,4 Prozent. Deutschlandweit beläuft sich die Quote auf 15,7 Prozent – 2006 waren es 14 Prozent. Die Zahlen machen deutlich, dass ausschließlich Berlin mit der Armut zu kämpfen hat. Jedes andere Ost-Bundesland konnte die Zahl der Armen senken. Nur Sachsen verbuchte ab dem Jahr 2006 einen Anstieg von gerade einmal 0,1 Prozent. Bremen rettet die Bundeshauptstadt aber vor dem letzten Platz. In Bremen beziehen 19,9 Prozent Hartz-IV. Natürlich hat Armut auch Auswirkungen auf das Leben und auch auf die Lebenserwartung. Die Zahlen zeigen, dass die Lebenserwartung sinkt. Arme Menschen sterben früher, wohlhabende Menschen leben länger. Folgt man also den aktuellen Zahlen, so sterben die Berliner vorwiegend an „Armut“. Das Robert-Koch-Institut hat im Rahmen einer Studie herausgefunden, dass ein Mann, der unterhalb der Armutsgrenze lebt, eine Lebenserwartung von durchschnittlich 70,1 Jahren hat. Wer hingegen wohlhaben ist, hat eine Lebenserwartung von 80,9 Jahren. Frauen, die als arm gelten, werden im Durchschnitt 76,9 Jahre alt; wohlhabende Damen haben eine Lebenserwartung von 85,3 Jahren.
Die Stadt ist gespalten
Doch kämpft die ganze Stadt mit dem Problem? Nein. Berlin ist „gespalten“. Die Probleme liegen hauptsächlich in „Westberlin“. Die Ost-West-Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte sind besonders betroffen. Hier sind es problematische Sozialstrukturen, hohe Arbeitslosenquoten und auch hohe Migrantenanteile, die am Ende die gefährliche Mischung darstellen – hier leben vorwiegend die armen Berliner. Doch es gibt auch ein Trostpflaster: Die Arbeitslosenzahlen gehen zurück – immer mehr Berliner finden einen Job in der Stadt. Doch wird die geringere Arbeitslosenquote tatsächlich für den Umbruch sorgen? Schlussendlich ist auch das Wirtschaftswachstum nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Am Ende hilft auch nicht der Umstand, dass die Wirtschaft – verglichen mit anderen Städten – schneller wächst. Es scheint, als würde sich Berlin in einer fast aussichtslosen Position befinden.
Wie reagiert die Politik?
Natürlich stellt sich die Frage, was die Politik plant. Die Deutschen haben, gemeinsam mit den Vereinten Nationen, die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ unterzeichnet. Im Rahmen der Agenda verpflichten sich die Staaten zur Bekämpfung von Ungleichheit und Armut. Bis zum Jahr 2030 soll die „absolute Armut“ bekämpft sein. Auch die Zahl Menschen, die sich laut nationalen Definitionen in Armut befinden, soll – so der Plan – um 50 Prozent reduziert werden. Die Bundesregierung verfolgt in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie verschiedene Ziele, sodass am Ende die Zahl der Armen reduziert werden soll. Ob diese Strategien auch den Berlinern helfen werden?
Ein Ausblick
Am Ende kann wohl kein Experte wissen, ob die Strategien der Bundesregierung zum Erfolg führen. Berlin ist arm, aber sexy – Jahr für Jahr kommen Millionen von Touristen in die Bundeshauptstadt; Jahr für Jahr ziehen Tausende Menschen nach Berlin. Warum die positiven Entwicklungen aber nicht den Berlinern helfen, bleibt daher ein Rätsel.